Wird mal wieder Zeit, dass ich was Produktives aus dem Karlsteiner Keller melde. Immerhin ist die Blauseekurve jetzt seit einigen Monaten fertiggestellt und ausser dem seltenen Ersatz allzu billig aussehender Tannenbäumchen ist nicht mehr Grossartiges daran zu ändern (Wobei: wie es so ist, es fallen einem je länger je mehr kleine und auch nicht so kleine Änderungswünsche ein. So wird z.B. das Thema "Felsenburgtunneleinschnitt" irgendwann nochmals angegangen, weil die Proportionen der darüber verlaufenden Abschlusskante der Blauseekurve nicht gefallen - ich werde euch zu gegebener Zeit informieren.
Was mir aber gar nicht gefiel, war die "Nebenstrecke" am Spissendorf auf der rechten Anlagenecke. Wie im Anlagenbericht dargestellt entstand sie aus Verlegenheit, um die Kehre der Hauptstrecke zu tarnen. Je länge je mehr störte mich aber die Tatsache, dass diese Strecke trotz ihrer Nebenrolle und trotz ihrer Lage in den Bergen ohne Fahrleitung auskommen musste. Das sah irgendwie so gar nicht nach Schweiz aus (ST-Fans bitte nicht hinhören.)
Wenn ich nun also dort eine ganz normale Sommerfeldt-Fahrleitung installieren würde, hätte ich dort aber aufgrund des geringen Radius von gerade mal 43cm einen wahren Mastenwald stehen - was gar nicht schön ist, auch wenn dort nur kurze Fahrzeuge oder einzelne Triebwagen verkehren.. Die Lösung kam wie so oft ganz plötzlich beim (wiederholten) Betrachten eines Videos (jaaa, sowas hab ich noch - nix DVD) von einer Führerstandsmitfahrt auf der Simmentalbahn. Die BLS hat nämlich in Kurven unter 270m Radius eine windschiefe Fahrleitung aufgehängt, um den Fahrdraht ohne Mastenwald möglichst mittig über dem Gleis zu halten. Das wär es eigentlich - ja, wenn es nicht in einen riesigen Bastel- und Lötäufwand münden würde.
Also begann ich aus Sommerfeld-Trägern (Nr. 081) entsprechende Abzugsmasten zu fertigen und aus einem Bündel Einzeldrähten (Nr.119) die jeweiligen geknickten Fahrdrähte mit den Seitenhaltern und dem Tragseil zu schneiden und dann einzeln zusammenzulöten. Dabei wurde nicht gemessen, sondern mit dem schmalsten Panto jeder einzelne Passitz der Seitenhalter geprüft:
(ich sehe gerade, das Foto ist etwas unscharf). Der Bogenabzug im Hintergrund ist nicht ganz Vorschriftengerecht, an dieser Stelle aber nötig.
Hier nun mal ein Überblick über die Situation im Rohbau (ohne Lackierung). Hier sieht man ganz gut das Konzept und die Vorgehensweise:
Während am Übergang zu den Eyro-FL45-Masten etwas frei interpretiert wurde, wurde auf der anderen Seite streng nach Vorschrift ein Übergangsmast zur Standard-Fahrleitung erstellt.
Der Aufbau jedes Fahrleitungsfeldes begann mit der Herstellung des Bogenabzugs am Mast. Anschliessend wurde der Fahrdraht abgelängt und geknickt. Dann folgte der Tragdraht und zum Schluss wurden die Seitenhalter (die übrigens beim Vorbild in der Regel aus einem gebogenen Aluminiumhalter sowie einem Verlängerungsseil zum Tragdraht bestehen) an den Knickstellen eingelötet. Letztendlich wurden die Lötstellen ordentlich verschliffen und das ganze Drahtgewirr dunkelgrau gestrichen, die Seitenhalter aluminiumgrau. Hier jetzt erstmal ein Bild vom Übergangsmast während des Baues:
(keine Angst, der Bogenabzug wird noch bis zum Fahrdraht gekürzt.)
Und so sieht die Stelle nach Fertigstellung aus:
(fast wie im Simmental( )
Der Mastabstand beträgt etwa 23-25 cm. Beim Aufbau einer konventionellen Fahrleitung würden die Maste etwa 15-17 cm nah zusammenstehen, auch wenn jeder zweite Mast nur ein Aussenbogenabzug wäre.
In Höhe der Rückwand des Sidshow-Ovals musste die Fahrleitung über eine Weiche mit anschliessenden engem Bogen so geführt werden, dass die schmalen Pantos nicht entgleisen (auch bei der Fahrleitung nennt man das Entgleisung - Bügelentgleisung).
Da ein Aussenbogenabzug wegen des (zugegeben fahrdrahtlosen) Abstellgleises nicht möglich war und eine massive Jochkonstruktion dort nicht schön aussah, gab es halt noch auf Basis eine Sommerfeldt -Mastes Nr. 321 einen verlängerten Innenbogenabzug:
Ich hoffe, euch regen solche Basteleien evt. zur Nachahmung an. Jedenfalls verhindern sie einen Mastenwald bei engen Radien - und auch Beschaffungskosten , die Drähte Nr. 119 sind im Vergleich zu den Fertigmasten nämlich recht günstig. Das Ganze kostet nur Zeit und Nerven beim Löten und Schleifen.
Ein Nachteil muss ich noch loswerden: Windschiefe Fahrleitungen sind nicht für höhere Geschwindigkeiten geeignet, bei Normalspurbahnen ist bei 75 km/h Schluss!.
Und wer sich jetzt fragt, warum ich die dicken Sommerfeldt-Drähte genommen habe: die sind stabiler, kommen meinen Wurstfingern sehr entgegen und mit Farbe getarnt macht das nicht mehr viel aus.
Viel Spass beim Nachbauen
Rüdiger