Oder mit anderen Worten Wunschdenken kontra reales Leben. Liebe Leute ihr ahnt es bereits und es ist nun wirklich wieder einmal dringend an der Zeit für einen Grundsatzartikel.
Das Thema kurz und bündig, mit welcher Technik ist was zu welchen Preis bei welcher Stückzahl machbar. Ich werde es mit Beispielen illustrieren, diese beruhen entweder auf Annahmen oder an konkreten Beispielen, diese haben keinen Referenz Charakter sondern sind einfach diese welche in meinem Gedächtnis haften blieben.
Jemand wollte den Steuerwagen mit der BDe4/4 Front unbedingt aus Zinkdruckguss haben. An das rein praktische Problem im Betrieb mit dem hohen Gewicht hatte ich nicht einmal gedacht. Die Buchhalter mögen mir verzeihen, dass ich es mir sehr einfach mache und keine Kapitalkosten, Lagerkosten und was es sonst auch immer braucht einrechne. So dürfte im Endeffekt alles noch etwas teurer sein als meine einfachen Rechnungsmodelle.
Also legen wir einmal los. Entwicklungskosten für das Gehäuse Fr.100'000, Kosten für die Druckgussform Fr.250'000 ergibt total Fr.350'000. Dafür habe ich erst einmal die Möglichkeit ein Gehäuse herzustellen. Als produzierbare Stückzahl nehme ich 5000 Stück in 10 Jahren an. Also muss ich pro Modell Fr.70 plus die Kapitalzinsen rechnen und man merke, bis jetzt habe ich immer noch kein einziges Gehäuse. Diese kleine Stückzahl von 5000 Gehäusen muss ich wohl in einem Fertigungslos herstellen lassen. Ein gegossenes Gehäuse veranschlage ich mit Fr.10. Nun muss es noch entgratet, gefräst, gebohrt und poliert werden. Das mag Fr.40 kosten.
Nun haben wir,
Fr. 70 für Kostenanteil Form und Entwicklung
Fr. 10 für das gegossene Gehäuse
Fr. 40 für das fertig bearbeitete aber immer noch leere und blanke Gehäuse
Macht Total Fr.120 für das Gehäuse im unfertigen Zustand.
Nun braucht das Modell noch einen Boden, Drehgestelle, Räder, Fenster, Kupplungen, Stirn-und Innenbeleuchtung, einen Decoder, diverse Kleinteile, Lackierung und Bedruckung und zuletzt noch eine Schachtel. Hoffentlich habe ich nichts Wichtiges vergessen. Das ganze will selbstverständlich noch montiert sein. Wieviel darf das nun kosten? Unsere Vorgabe ist ein Ladenpreis von Fr, 400, der Händler will auch daran verdienen, ich gebe ihm 30 Prozent. Das Modell muss HAG also mit einem maximalen Preis von grob gerechnet Fr. 300 verlassen. Für den ganzen Rest bleiben also noch genau Fr.180, darin muss aber noch der Gewinn für HAG selber enthalten sein.
Wo liegt nun der Unterschied vom Steuerwagen zu einer Lok? Richtig, im Wesentlichen fehlt nur noch der Antrieb. Ob dieser wirklich mit Fr. 200 zu Buche schlägt, ich denke eher nein. Mein Beispiel zeigt doch recht gut auf, ein Steuerwagen lässt sich für den angepeilten Preis von Fr.400 kaum herstellen. Zahlenspiele sind erlaubt, meine geschätzten Preise und Stückzahlen liegen wohl eher auf der optimistischen Seite.
Nun die Variante in Kunststoff, am Beispiel des Railtop BDt. Ein hervorragendes Modell für ca. Fr.140. Die absetzbare Stückzahl dürfte höher sein als beim Steuerwagen mit der BDt4/4 Front. Die möglichen Varianten sind um einiges grösser. Die Fertigung findet in China statt, hier profitiert man sicher in erster Linie bei den Montagekosten. Nun, das Abenteuer China würde ich HAG nicht empfehlen, also wäre eine Möglichkeit mit einem zuverlässigen Partner solche Projekte auf die Beine zu stellen. Ob eine Partnerschaft mit jemandem der selber Eisenbahnmodelle im gleichen Massstab herstellt sinnvoll ist, keine Ahnung, ich muss es auch nicht entscheiden.
Soll HAG nun versuchen in das Segment der Messingmodelle aufzusteigen? Ist wahrscheinlich auch nicht sinnvoll, man würde das vermutlich auch zuwenig ernst nehmen. Ein Misserfolg dürfte vorprogrammiert sein.
Kürzlich wollte uns jemand erklären, dass Renfer ein tolles Bm4/4 Modell für unter Fr.1000 anbieten könnte. Nun, ich habe es schon damals in das Reich der Märchen verbannt. Schaut euch einmal die Preisentwicklungen an welche seine Modelle genommen haben. Vor einigen Jahren war das meiste für unter Fr.1000 erhältlich, heute liegt alles deutlich bis sehr deutlich darüber. Sicher, die heutigen Modelle sind wesentlich besser detailliert, aber genau das zeigt auf wie diese Verbesserungen die Preise gnadenlos in die Höhe zwingen.
Als Konsument muss man sich immer mehr davon lösen können, einen Hersteller zwingend mit einer bestimmten Technologie zu verbinden. Bei den Alltagsprodukten haben sich doch auch die meisten Leute damit abgefunden oder sie merken es nicht einmal mehr, dass enorm viele Dinge nur aus Kunststoff sind. Mit geschickten Oberflächenbehandlungen lässt sich sehr gut den Eindruck einer metallischen Oberfläche erwecken obwohl darunter bloss Kunststoff zu finden ist.
Ich bin davon überzeugt, die meisten Hersteller sind sich absolut bewusst, dass ihre Produkte mit bestimmten Dingen verbunden werden und sie lösen sich garantiert nicht leichtfertig davon. Ohne die Werbeloks hätte sich die Re460 kaum zu einem solchem Zugpferd bei HAG entwickelt. Eine Ae4/7 oder die Re450 bietet dem gegenüber sehr wenig an machbaren Varianten.
Wer einem Hersteller eine Überlebenschance geben will, muss ihm auch die Freiheit lassen andere der Zeit angepassten Wege zu beschreiten. Entscheidend ist ob am Schluss daraus ein nach wie vor hochwertiges Produkt entsteht, mit der Materialwahl allein steht und fällt es garantiert nicht. Anderseits sollte der Hersteller solchen Wünschen auch in Form von Wahrung des Scheines Rechnung tragen und zum Beispiel SPS Modelle mit Metall vollpacken um den Eindruck von schwerer Qualität zu erwecken. Eine gewisse Käuferschicht will scheinbar mangels Wissen betrogen werden sein. Sie soll das bekommen, den Kenner beisst ein solch aufgepepptes Modell nicht, er weiss auf was er achten muss.
Nun bin ich gespannt ob mir jemand meinen geistigen Erguss widerlegen kann.