Danke Stefan für Deine Antworten und Hinweise,
... welche sich weitgehend mit meinen Ansichten übereinstimmen. Das Rätsel der verschiedenen HAG Ae 6/6 Varianten wird bei HAG - vor 67 Jahren - "versteckt" sein und dem zu Folge nie mehr ganz zu lösen sein. Eine Firma darf ja auch ein paar (eher kleinere) ungeklärte mystische Punkte haben, das ist der Stoff von dem Sammler leben.
Wahrscheinlich war die HAG Ae 6/6 Differenzierung zwischen Wechselstrom Nr 120 und Gleichstrom No 121 ab 1956 ein pragmatisches, unkompliziertes HAG Vorgehen, primär auf oekonomischen Prinzipien beruhend, - aber dennoch möglichst alle Markt Chancen nutzend - ohne dabei einen zusätzlichen Mehraufwand zu haben.
Dafür sprechen folgende Punkte:
Gemäss HAG Katalog1957 kostete die HAG Ae 6/6 120 für das Märklin AC System CHF 75.- Die 3-Schienen Gleichstrom Version Nr 121 war sogar etwas günstiger und kostete CHF 69.50. Die Ersparnis von CHF 5.50 dürfte begründbar sein, dass das Relais eingespart wurde, und die Räder wie bei der "normalen" AC Nr 120, auch bei DC Nr 121 (vorerst) noch keine Isolierung hatten. Die DC 121 war also im Wesentlichen die selbe Lok, einfach technisch einfacher ausgeführt. Ob beim Motor eine Feldspule zur Anwendung kam, oder ein Permanentmagnet, dürfte preislich etwa ausgeglichen sein. Ganz streng genommen war der HAG Ausdruck: "3-Schienen Gleichstrom" falsch/irreführend: dann müssten BEIDSEITIG die Lokräder isoliert gewesen sein, (unabhängig vom Radprofil, dieser Punkt kommt noch dazu) so wie es bei Trix-Express auch tatsächlich der Fall war, ansonsten war und ist ohne Elektronik und ohne Oberleitung als zusätzlichen Leiter, gar kein Mehrzugbetrieb möglich. Die selbe elektrische Masse kann beliebig oft benutzt werden, die Phase benötigt jedes Modell seine eigene, wenn es unabhängig betrieben werden soll. (Ausnahme Digital mit entsprechendem Decoder). Der Preis für das bischen Kunststoff der Nabenisolierung dürfte vernachlässigbar gewesen sein, nicht aber der Mehraufwand dazu, die Isolierung auch effektiv auszuführen.
1958 folgte Fleischmann mit seiner eigenen Ae 6/6 No 1334, sicher kein schlechtes Modell, ebenfalls etwa 1958 folgte etwas günstiger Kleinbahn mit seiner 2-motorigen Ae 6/6 mit Kunststoffgehäuse. Aber in den folgenden Jahren - abgesehen vom grossen Dominator Märklin, verschob sich im DC Gleichstrom Bereich immer wie mehr Neuheiten zu Gunsten vom 2-Leiter Gleichstrom. 1964 erschien Märklin mit seiner Ae 6/6 3050, welche es ab 1968 auch als 2-Leiter Gleichstrom unter dem Namen HAMO gab.
Wie erwähnt, es gab in Frankreich und England Modellbahn H0 Systeme welche ungefähr dem Märklin Gleissystem entsprachen, welche jedoch mit Mittelleiter Gleichstrom betrieben wurden. U.a. o von Jep H0, in Frankreich ein bekannter Modellbahnhersteller, vor allem in der Nenngrösse 0, aber gegen sein Ende hin, auch in H0 aktiv war. Für Jep H0, wäre die HAG 121 DC Ae 6/6, so wie sie von HAG geliefert wurde, ohne jede Einschränkungen einsetzbar. Aber ähnlich wie heute im Fussball, jedes Land hatte zu seiner Bahn seinen Nationalstolz, kaum anzunehmen, dass die Engländer und Franzosen, in den 1950-er Jahren, sehnlichst auf die HAG Gleichstrom Ae 6/6 gewartet haben?
Da HAG mit seiner Version der Gleichstrom 121 Ae 6/6 Modell keinerlei Mehraufwand hatte, im Gegenteil sogar noch das Relais eingespart werden konnte, war es einfach ein reines Zusatzgeschäft, ohne grössere kommerzielle Bedeutung, aber jede verkaufte Lok mehr, ist eine gute Lok... Die 121 wurde zwar im HAG Katalog erwähnt, aber die tatsächlich erfolgten Modelle dürften sich in engsten Grenzen gehalten haben.
Irgend wann mal, spätestens zur Ankündigung 1966, wurde die selbe Nr 121(!) zur "normalen" Fleischmann-System tauglichen 2-Leiter DC HAG Ae 6/6. Im Text ist klar von 2-Leiter die Rede, der Rabatt für das fehlende Relais entfiel, da anderseits die Räder einseitig isoliert werden mussten und ein Selengleichrichter für den Lichtwechsel sorgte.
Was nicht heisst, dass es nicht schon vor 1966 ganz vereinzelt original von HAG stammende Ae 6/6 für das Fleischmann 2-Leiter System gegeben haben mag. Aber es waren und sind wenige Einzelfälle. Bei diesen ist es schwer herauszufinden, was von HAG stammt, was eigene, oder durchaus von HAG selber, aber viel später als Kundenauftrag umgerüstete Modelle warn. An der Börse Bern, gab es mal eine sehr interessante, wahrscheinlich echt von HAG stammende sehr frühe HAG 120 DC Ae 6/6 Version, aber das Modell war erheblich äusserlich gesupert worden, u.a. mit Am Rhyn Pantos und Messing Schilder, gleichzeitig behauptete der Besitzer, wahrscheinlich zu Recht, es sei in ihrem Ursprung eine sehr seltene frühe HAG DC Ae 6/6. Entweder Sammlerobjekt oder das modelgetreue steht im Vordergrund. Beides gleichzeitig ist für nachfolgende potentielle Käufer selten befriedigend. Wir wurden uns über den Preis nicht einig, der Besitzer wollte für mein Empfinden viel zu viel dafür, für gebraucht und gesupert, da wäre mir selbst die Hälfte noch zu viel gewesen.
Wie es bei HAG H0 über viele Jahrzehnte üblich war und ist, dass Wechselstrom und Gleichstrom egalitär geliefert wurde / wird, das nahm mit dem Roten Pfeil schon früh seinen Anfang, beim RCe 2/4 hatte HAG über lange Zeit keine nennenswerte Mitbewerber, Kleinbahn möge mir nicht böse sein. Der Schienentraktor Te 101 war vor über 60 Jahren noch zu klein, für eine AC-Version, es brauchte noch, wenn schon, den "Geisterwagen". Und ob AC oder selbst in DC, auch beim Stationstraktor Te 101 hatte HAG über Jahrzehnte keine Mitbewerber.
So richtig in Fahrt kam HAG Gleichstrom, neben der160 AC Basisversion, mit seiner HAG Re 4/4 II 161 ab 1966. Der Aufwand das ca. 10 jähriges Ae 6/6 Modell (Version mit neuem Gehäuse ab 1962) auf 2-Leiter Gleichstrom umzurüsten hielt sich in überschaubaren Grenzen, daher wurde es auch angeboten und muss auch ganz gut verkauft worden sein! Man findet diese Version, ohne gross suchen zu müssen, an jeder grösseren Börse. Doch schon damals dürfte der Verkauf nicht gleichmässig gewesen sein, sondern tendenziell eher ein Geschäft auf Neuheiten fokussiert, wenn auch nicht so ausgeprägt wie heute. Jedenfalls wer ein Ae 6/6 Modell wollte, der hatte schon damals längstens sein Modell gekauft. HAG konzentrierte sich auf seine neue Bo-Bo Re 4/4 und ab 1971 noch etwas vor dem Erscheinen des Vorbildes, auf seine Re 6/6, wo wiederum bis auf Lima in DC, über Jahre niemand die HAG Version Re 6/6 konkurrenzierte. Wahrscheinlich staunen und amüsieren sich die HAG Gründer Hugo und Alwin Gahler, deren Geist, dass sich 2023 ein paar Sammler interessieren, welcher Typ Relais eingebaut war und ob jetzt das SBB typische 3-Spitzen Licht etwas heller oder weniger wahrnehmbar leuchtet.
Gruss
Hermann