Werkstoffe: Metalle und Kunststoffe, ihre Vor- und Nachteile

  • Die beiden meist genutzten Werkstoffe in Modellbahnen stelle ich hier in Bezug zu den Kosten, Werkstoffeigenschaften, technischen Möglichkeiten und Lebensdauer gegenüber. Die Auflistung ist allgemein gehalten und hat seinen primären Bezug zu Eisenbahnmodellen. Hightech und Hochleistungswerkstoffe sind bewusst ausgeklammert.


    Kosten.


    Hier hat der Kunststoff gegenüber den Metallen in der Massenproduktion ganz klar die Vorteile auf seiner Seite. Kunststoffe sind günstig, durch ihr geringes spezifisches Gewicht erhält man auch pro Kilo Masse viel mehr Volumen an Material. Kunststoffteile kommen im Normalfall fertig aus der Maschine und können bereits richtig eingefärbt sein. Metalle brauchen viel Nacharbeit und müssen Oberflächenbehandelt werden, lackieren oder galvanisieren.


    Werkstoffeigenschaften


    Metalle haben gegenüber den Kunststoffen den Vorteil höherer Festigkeit und Steifigkeit. Kunststoffe sind elastischer, teils komplett bruchsicher. Kunststoffe können im Spritzgussverfahren dünner und besser detailliert hergestellt werden als in Zinkdruckguss.
    Mit geätzten Blechen sind hingegen noch dünnere Wandstärken machbar die eine genügende Festigkeit aufweisen. Metalle ertragen im Allgemeinen höhere Temperaturen als Kunststoffe und reagieren auch weniger empfindlich auf Temperaturschwankungen.


    Technische Möglichkeiten


    Die meisten Metalle lassen sich gut zerspanen, ätzen, löten, schweissen, schneiden und manches mehr. Bei Kunststoffen sind die Eigenschaften sehr unterschiedlich, einige der Verfahren lassen sich anwenden, andere nicht. Dafür sind viele Kunststoffe gut verklebbar, es gibt allerdings auch Kunststoffe die als nicht klebbar gelten oder nur unter ganz besonderen Bedingungen, z.B. Teflon (PTFE).


    Lebensdauer


    Werden beide Werkstoffe in trockener Umgebung ohne massive Temperaturschwankungen eingesetzt sind Metalle den Kunststoffen weit überlegen. Der Hauptfeind von Metallen ist die Korrosion, diese lässt sich mit galvanischen Oberflächenbehandlungen oder Lacken wirksam verhindern. Kunststoffe altern kontinuierlich bis sie zerfallen. Das klassische Beispiel sind Gummi die mehr oder weniger schnell bis zur komplettem Versprödung verhärten. Das ist durch ihren chemischen Aufbau bedingt. Kunststoffe können auf UV Licht, viele Chemikalien wie Öle, Benzine, Lösungsmittel kritisch reagieren, bzw. zerstört werden. Unbehandelte Metalle reagieren darauf höchstens mit Fleckenbildung, ein rein optisches Problem.


    Der Einsatz im Alltag


    Metalle sind in der Regel um einiges fehlertoleranter bezüglich nicht sachgerechter Behandlung. Kunststoffe kann ich mit falschen Ölen, Reinigungsmitteln und Umgebungseinflüssen, primär UV Strahlung, nachhaltig schädigen oder gar völlig zerstören. Erschwerend kommt hinzu, bei Kunststoffen weiss ich oft gar nicht was ich genau in den Händen halte und welche Chemikalien ich nicht anwenden darf. Eine zu stark fest gezogene Schraube ergibt in Kunststoffen oft Spannungsrisse die sich dann nach und nach durch das ganze Teil fortpflanzen, Metalle werden meist nur gestaucht oder es reisst das Gewinde aus oder der Schraubenkopf wird abgedreht.


    Mein persönliches Fazit


    Wo die spezifischen Eigenschaften von Kunststoffen nicht notwendig sind oder nicht einen wesentlichen Vorteil bieten bevorzuge ich Metalle. Eine hohe Lebensdauer ist für mich bei einem Modell zentral, 40 Jahre ist für mich das untere Limit. Einer der Gründe warum ich Metall bevorzuge. Ein anderer ist mehr persönlicher Natur, mit Metallen habe ich gelernt umzugehen, kenne deren Eigenschaften und Möglichkeiten in einem sehr weiten Bereich und sie lassen sich auch im Schadenfall einfach und sicher reparieren. Meine ältesten Modelle, mehr als 40jährig sind ausnahmslos Messingmodelle. Schäden traten bisher nur durch gerissene Kunststoffzahnräder und gebrochene Kunststoffgehäuse von Schaltern auf. Lackierte Metalloberflächen gefallen mir persönlich viel besser als solche aus Kunststoff, sie sehen realistischer aus.



    Produktion in Billiglohnländern


    Ein Wort zur Produktion in Billiglohnländern, als Beispiel soll China dienen, möchte ich noch verlieren. Es ist ein grosser Irrtum wenn geglaubt wird es kann mit wenig Aufwand oder einfachen Methoden die Qualität eines Werkstoffes oder dessen Verarbeitung sichergestellt werden. Selbst Experten können an fertigen Produkten nur in krassen Fällen mit einfachen Methoden minderwertige oder falsche Werkstoffe erkennen. In aller Regel sind dafür sehr teure Analysen notwendig die nur durch darauf spezialisierte Institute ausgeführt werden können. In den Foren gibt es genug Beispiele von Schäden die durch falsche, falsch verarbeitete oder minderwertige Werkstoffe an Modellen entstanden sind. Solche Vorkommnisse sind für den Kunden in erster Linie ein Ärgernis und Geldverlust, mehr nicht. Daher liegt es aus Kostengründen nicht im Interesse des Herstellers grosse Aufwände zu betreiben um solche Vorkommnisse zu unterbinden. Er kann im Einzelfall kulant reagieren, wenn er es für richtig hält.

  • Lieber Erwin
    das ist ein interessanter Beitrag. Von der Herstellerseite betrachtet, kann aber auch später notwendiger Unterhalt bewusst einkalkuliert werden. Es gibt in der Praxis viele Beispiele, man denke nur an die Rafflamellenstoren. Alle neuen Häuser haben solche, seit einigen Jahren werden die Halterungen nur noch aus Kunststoff hergestellt, nicht einmal UV-beständig! Alle Storenfirmen haben deshalb grosse Reparatur-Service-Abteilungen. Nun könnte ich mir diese Gedanken auch in der Moba-Branche vorstellen, es sind etwa die gleichen Denkmuster in der Chefetage vorhanden. Kulanz ist sehr schnell nicht mehr nötig, bei kurzen Garantiefristen.
    herzliche Grüsse
    Oski

  • Kulanz ist sehr schnell nicht mehr nötig, bei kurzen Garantiefristen.


    Das sehe ich ein wenig anders. Gerade bei kurzen Garantiefristen ist Kulanz um so gefragter. Gehen Bestandteile augrund von Mängeln während der Garantiezeit kaputt, so müssen sie vom Hersteller ersetzt werden. Gehen die Teile nach Ablauf der Garantiefrist kaputt, so ist es dem Hersteller überlassen, sie gratis zu ersetzen. Macht er das, nennt man das dann Kulanz.


    Richard

    Bei meinen Beiträgen im Forum wende ich grundsätzlich die Enten-Taktik an. Über der Wasseroberfläche: Aufmerksam beobachten, kühlen Kopf und Ruhe bewahren. Unter der Wasseroberfläche: Kräftig treten. Wenn's brenzlig wird: Blitzschnell abtauchen.

  • Was ist in den letzten 20 Jahren als zusätzliches Problem auftauchte, ist der massive Verlust an Erfahrung in Firmen die bei älteren Mitarbeitern Kahlschlag durchführten und diese in Frühpension schicken oder gleich auf die Strasse stellten. Ein Kollege aus der Schadensanalytik erzählte mir, es ist teils tragisch was heute für Fehler begangen werden die früher als allgemeines Fachwissen galten. Im Bereich Korrosion werden besonders viele Gegebenheiten unterschätzt oder falsch eingeschätzt, besonders tragisch war der Fall Hallenbad Uster. Andere Firmen manövrieren sich mit einem einzigen Fehlgriff an den Rand ihrer Existenz.


    Die Entwicklung mit der Kulanz liess sich bei Märklin gut verfolgen. Die von Zinkkorrosion betroffenen Köf Trostberg wurden anstandslos ausgetauscht. Bei den De 6/6 Seetalkrokodilen war das anfänglich auch so und plötzlich wurde davon Abstand genommen und der Kunde trägt nun die Kosten im vollen Umfang.


    In Asien sind die Mitarbeiter Fluktuationen enorm hoch, dort ist es zusätzlich schwierig eine kontinuierliche Qualität aufrecht zu erhalten.